Medizinische und berufliche Rehabilitation

Nicht jeder Mensch, der an einer Epilepsie erkrankt, kann sofort erfolgreich behandelt werden; nicht jeder bewältigt problemlos die damit auf ihn zukommenden Schwierigkeiten hinsichtlich seiner zukünf-tigen sozialen und beruflichen Rehabilitation. Viele Menschen mit Epilepsie benötigen dazu unter-schiedliche Hilfen, die im Allgemeinen unter dem Begriff Rehabilitation zusammengefasst werden.

In Deutschland gibt es ein gegliedertes System der Rehabilitation, das von einer Abfolge verschiede-ner Leistungen ausgeht: Nach der medizinischen Diagnostik und Akut-Behandlung folgen die medizi-nische, berufliche und soziale Rehabilitation in einzelnen Schritten. Dieses Phasenmodell hat sich bei vielen chronischen Krankheiten bewährt, ist bei einem großen Teil der Menschen mit Epilepsie jedoch nicht geeignet. Zum Krankheitsbild bei an Epilepsie erkrankten Menschen gehört in vielen Fällen, dass eine medizinische Stabilisierung einen Zeitraum über mehrere Jahre hinweg einnimmt – sei es auf grund schwieriger Therapierbarkeit, aufgrund der Verarbeitung der Erkrankung mit begleitenden psychischen Problemen oder aufgrund einer notwendigen Beobachtungszeit zur Beurteilung des Behand-lungserfolges. Daher müssen medizinische und berufliche Rehabilitation über weite Strecken und in abgestufter Schwerpunktsetzung parallel zur Akutbehandlung erfolgen.

Medizinische und berufliche Rehabilitation von Menschen mit Epilepsie erfordert daher – stärker als dies bei anderen chronischen Krankheiten oder Behinderungen notwendig ist – eine enge Verzahnung mit der epileptologischen Akutbehandlung. Für die berufliche Rehabilitation in Berufsbildungswerken wie z.B. dem Berufsbildungswerk Bethel/Bielefeld oder dem Annedore-Leber Berufsbildungswerk in Berlin bedeutet das, das Menschen in die berufliche Ausbildung übernommen werden, die mit der Bewältigung ihrer Erkrankung lange noch nicht fertig sind, deren Behandlung möglicherweise den Alltagsbedingungen außerhalb einer Klinik nicht standhält, die eine der Epilepsie angepasste Lebensführung erst noch lernen müssen, die hinsichtlich ihrer (weiteren) beruflichen Möglichkeiten aufgrund ihrer Erkrankung stark verunsichert sind.
Eine umfassende Begleitung bei Problemen dieser Art ist parallel zur beruflichen Rehabilitation seit langen Jahren im Berufsbildungswerk Bethel möglich – dem einzigsten Berufsbildungswerk in Deutschland, das speziell für Menschen mit Epilepsie konzipiert ist (Anschrift: Berufsbildungswerk Bethel, An der Rehwiese 57-63, 33617 Bielefeld; www.bbw-bethel.de). Im Annedore-Leber Berufsbil-dungswerk in Berlin wird seit einigen Jahren ein ähnliches Angebot bereitgehalten (Anschrift: Annedo-re Leber Berufsbildungswerk, Paster Behrens Str. 88, 12359 Berlin; www.albbw.de).

Für die Einleitung und Finanzierung der Ausbildung in Berufsbildungswerken und für weitere Maß-nahmen der beruflichen Rehabilitation ist grundsätzlich die Bundesanstalt für Arbeit zuständig. Es ist jedoch hilfreich, sich vor Beantragung einer Maßnahme umfassend über die Möglichkeiten der berufli-chen Rehabilitation unter besonderer Berücksichtigung der Epilepsie zu informieren. Beispielsweise bietet das Handbuch Epilepsie & Arbeit einen umfassenden Überblick zu diesem Thema (van Kampen, N.; Elsner, H. & K. Göcke (2002), Handbuch Epilepsie und Arbeit, Berlin, Verlag einfälle; zu beziehen über: Verlag einfälle, Zillestraße 102, 10585 Berlin, Tel.: 030/341 4252). Weitere nützliche Hinweise allgemeiner Art finden sich z.B. in dem von der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte herausgegebenem Buch Die Rechte behinderter Menschen und ihrer Angehörigen
(zu beziehen über: BAGH, Kirchfeldstr. 149, 40125 Düsseldorf, Tel.: 0211/310060).

Erfreulicherweise hat es in den letzten Jahren Verbesserungen gegeben, die die Lücke zwischen me-dizinischer Behandlung und beruflicher Rehabilitation schließen. Als erste konnten die Epilepsie-Klinik Mara/Epilepsie Zentrum Bethel und die Asklepios-Klinik in Schaufling – in enger Kooperation miteinander – medizinische Rehabilitationsabteilungen für Menschen mit Epilepsie einrichten. Inzwischen sind an weiteren Orten in Deutschland ähnliche Abteilungen entstanden (z.B. am Epilepsie Zentrum Berlin Brandenburg oder am Epilepsie Zentrum Freiburg/Kehl-Kork). In diesen Abteilungen kann nach Abschluss der Akutbehandlung genau das stattfinden, was bisher fehlte: Hilfen zur Verbesserung der Krankheitsbewältigung, Informationen über die eigene Erkrankung, das Erlernen eines der Epilepsie angepassten Lebensrhythmus, die Überprüfung der beruflichen Belastbarkeit und beruflicher Möglichkeiten etc. Der Übergang in eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation oder in ein Leben ohne Epilepsie (das möglicherweise durch einen epilepsiechirurgischen Eingriffe erreicht werden kann) wird hierdurch sehr erleichtert. Für die Einleitung und Finanzierung von Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation sind in der Regel die Rentenversicherungsträger zuständig. Nähere Informationen zu den Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation bei Epilepsie, zum Antragsverfahren etc. sowie Kontaktadressen sind im oben genannten Handbuch Epilepsie & Arbeit enthalten.

Norbert van Kampen, Epilepsie Zentrum Berlin Brandenburg